Wildschaden im Wald: Jäger erzürnt wegen MOZ-Artikel
Ein – vorsichtig ausgedrückt – etwas einseitiger Artikel in der Märkischen Oderzeitung (MOZ) vom 09.01. bringt Brandenburger Jäger in Rage.
Unter der Überschrift „Wer nicht schießt, muss zahlen“ hatte die MOZ das Thema Wildschaden im Wald behandelt – und dabei sehr einseitig nur den Standpunkt der Hardliner unter den Waldbesitzern und Forsten wiedergegeben. Während der Wildschaden im Feld klar geregelt ist, sei das im Wald bislang nicht der Fall. Abhilfe soll dem Bericht zufolge eine Schadensersatzrichtlinie bringen, die derzeit am Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde erarbeitet wird.
Die MOZ zitiert ein Papier des Deutschen Forstwirtschaftsrats (DFWR), in dem für einen Laubbaum eine Entschädigung von 1,20 Euro plus 30 Cent je Lebensjahr, für eine Kiefer von 55 Cent empfohlen wird. Und damit das „Interesse der Jäger steigt, den Wildbestand gering zu halten“, empfiehlt Ulrich Hardt von der Obersten Jagdbehörde des Landes den Jagdgenossenschaften, die Jäger zur Übernahme des gesamten Wildschadens in den Jagdpachtverträgen zu verpflichten. Bislang sind in vielen Jagdpachtverträgen Obergrenzen für den Wildschaden oder Wildschadenspauschalen vereinbart.
Aus gutem Grund: Der Wildschaden im Feld wie im Wald kann schnell existenzbedrohende Höhen erreichen, etwa wenn eine Wildschweinrotte durch einen undicht gewordenen Zaun in eine Forstkultur eindringt und in nur einer Nacht die Anpflanzung verwüstet. Der Jäger würde dafür mit Haus und Hof bis zur Privatinsolvenz haften. Aber ist es gerecht, den Jäger ganz allein und ausschließlich für den gesamten Wildschaden verantwortlich zu machen?
Das Jagd- und Naturschutzrecht erlegt dem Jäger die Erhaltung eines gesunden und artenreichen Wildbestands auf. Deshalb ist – denn irgendwas müssen die Wildtiere ja fressen – ein gewisser Wildschaden nicht nur unvermeidlich, sondern geradezu gesetzlich vorgeschrieben. Insbesondere wenn nahezu 100 Prozent der Vegetation unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Für das Anwachsen der Wildschäden ist beileibe nicht der Jäger (allein) verantwortlich: Klimawandel, Jagdeinschränkungen, veränderte Anbaustrukturen der Landwirtschaft, Waldumbau und Zaunverzicht dürften eine deutlich größere Rolle spielen – warum also soll nur der Jäger dafür haften?
Kurz gedacht sind die Bestrebungen einer gewissen Sorte von Forstleuten auch aus einem anderen Grund: Viele Feldreviere sind aufgrund des Wildschadensrisikos ohne Deckelung des Wildschaden kaum mehr verpachtbar. Setzen sich die Waldbesitzer mit den im MOZ-Artikel beschriebenen Vorstellungen durch, würden sich bald auch für viele Waldreviere keine Pächter mehr finden. Die Konsequenz: Die Jagdgenossenschaften bleiben auf dem Schaden sitzen und können sich selbst um die (Not-)Bejagung ihrer Flächen kümmern. Eine weitere Konsequenz wäre das Ende der bodenständigen Jagd – doch es wird der gesellschaftlichen Akzeptanz der Jagd nicht gut tun, wenn nur noch Gutbetuchte und Waldbesitzer jagen gehen können.
In der Jägerschaft sorgt der MOZ-Artikel für Empörung (bitte beachten Sie dazu den Leserbrief von Jörg Stendel, Vorsitzender des JV Bernau an die MOZ). Das Präsidium des LJV Brandenburg wird sich auf seiner nächsten Sitzung mit der Thematik befassen. Stephan Elison
Leserbrief vonJörg Stendel, Vorsitzender JV Bernau an die MOZ:
Jägerschaft kündigt Widerstand an
Der Rückgang des Lebensraumes und des natürlichen Nahrungsangebotes der Wildtiere ist vom Menschen gemacht – zur notwendigen Sicherung seiner eigenen Lebensgrundlage. Mit dem Rückgang natürlicher Nahrungsquellen für Wildtiere sind diese gezwungen, ihren Nahrungsbedarf mit Kulturpflanzen zu decken.
Landnutzung, so auch Forstwirtschaft, ist i.d.R. auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet – das ist grundsätzlich nicht in Frage zu stellen. Doch, wie so oft, steckt hier der Teufel im Detail. Wirtschaftlicher „Erfolg“ ist nämlich immer auch eine Frage des Betrachtungszeitraumes. Und dieser Betrachtungszeitraum umfasst, das ist auch dem Laien verständlich, in der Forstwirtschaft einen weit längeren Zeitabschnitt als eine Wahlperiode für eine Regierungskoalition – und auch als jede Erfolgsrechnung von Groß-Finanzinvestoren.
Ihnen als Autor müssen andere Forschungs-Ergebnisse präsentiert worden sein, als jene, welche zuvor (versehentlich?) veröffentlicht worden sind: Die von Ihnen angesprochenen Weisergatter-Einzäunungen (über 1.000 Stück) im Landeswald haben gezeigt: Der negative Einfluss des Wildes auf den Erfolg der Forstkultur ist geringer als angenommen wurde. Entscheidend für das Aufwachsen einer Forstkultur ist nicht, ob 50, 100 oder 1000 Pflanzen je Hektar durch Wild abgefressen werden. Entscheidend ist, wie viele Pflanzen auf einem Forststandort schnell genug dem Zugriff des Wildäsers entwachsen. Wo die für den Kulturerfolg notwendige Anzahl von Jungpflanzen je Hektar außerhalb der Zäunung nicht überlebt hat, war dies i.d.R. auch innerhalb der Gatter (ohne Wildeinfluss) nicht der Fall. Klares Indiz dafür, dass der Standort entscheidend ist und nicht der Wildbestand. Den Wildbestand als Haupt-Störfaktor zu identifizieren, ist hiernach schlicht falsch und nach Kenntnis der Untersuchungsergebnisse unseriös. Und so muss auch jede aus dieser falschen Annahme resultierende Schlussfolgerung falsch sein. Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte alte gesicherte forstwissenschaftliche Erkenntnisse werden hier offenbar kurzfristigen Schein-Sparerfolgen geopfert.
Als Vorsitzender des Jagdverbandes Bernau e.V. und als Wildschadensschätzer bin ich schon jetzt mit Fällen konfrontiert, in denen sich Jäger Wildschadensforderungen ausgesetzt sehen, deren Begleichung sie in eine Katastrophe zu stürzen droht. Ich kann niemandem empfehlen, einen Pachtvertrag zu unterschreiben, der, anders als vom Gesetzgeber vorgesehen, dem Jagdpächter die alleinige und vollständige Ersatzpflicht für Wildschäden auferlegt. Wenn nun je abgefressener Forstpflanze ein Preis von 1,20 Euro plus 30 Cent je Lebensalter angesetzt und vom Jäger abkassiert wird, mag das kurzfristig eine Wohltat für den Flächenbewirtschafter sein.
Langfristig muss das dazu führen, dass immer weniger Menschen willens und in der Lage sind, einen Großteil ihrer Freizeit der Jagd zu widmen und sich im Ehrenamt zu engagieren. Kein Normalverdiener wird es seiner Familie vermitteln können, dass die ehrenamtliche Jagdausübung in der Freizeit ein wirtschaftliches Risiko in sich birgt, das schnell mal die Existenz kosten kann. Setzt sich das oben beschriebene (fachlich nicht haltbare) Schadensregulierungs-Verfahren durch, wird die Jagd nur noch für Menschen finanzierbar sein, die in der Lage sind, jährlich mal zehn, zwanzig oder mehr Tausend Euro für derartige Schäden aufzubringen. Ortsansässige Jäger, die sich mit ihrem ländlichen Umfeld identifizieren, die zu Hause jagen und deren Herzblut am heimatlichen Revier und Wild hängt, werden die Ausnahme sein. – Ein Schritt Hundert Jahre und mehr zurück in die Vergangenheit und ein Schritt zur Auslöschung eines Teils ländlicher Kultur.
Ja, die Wildbestände sind mitunter hoch, z.T. auch zu hoch. Wo das tatsächlich der Fall ist, müssen sie reduziert werden. Doch auch hier liegt der Teufel wieder im Detail: Ein Rehwildbestand reproduziert sich, hier muss man kein Experte sein, aus dem Bestand der weiblichen Tiere. Um einen Bestand zu reduzieren, ist also der vorrangige Abschuss weiblicher Tiere notwendig – der zusätzliche Bockabschuss hat keinen Einfluss auf die Bestandsentwicklung. Welchen Zweck also sollte eine Ausdehnung der Jagdzeit auf den Bock haben?
Wir Jäger tragen derart unsinnige Verfahrensweisen nicht mit und lassen uns nicht zu Schädlingsbekämpfern „umschulen“ und zum Zahlemann für verfehlte Forst und Agrar- bzw. Energiepolitik machen. Parteien, die derartigen Unfug gut heißen, werden es schwer haben, unter uns Jägern Wähler zu finden. Unser Landesjagdverband zählt nahezu 10.000 Mitglieder, davon über 600 Mitglieder im Barnim. Wir werden als Jagdverband Bernau e.V. im März unsere alljährliche Mitgliederversammlung abhalten. Die oben beschriebenen Themen werden mit Sicherheit Gegenstand der Diskussion sein.
Jörg Stendel, Vorsitzender des Jagdverbandes Bernau e.V.
Bild: Bildschirmfoto der MOZ-Internetseite mit dem umstrittenen Beitrag.
Aufgrund der teilweise recht heftigen Reaktionen auf den MOZ-Artikel, sah sich Ulrich Hardt von der Obersten Jagdbehörde Brandenburg veranlasst, eine Klarstellung zu verfassen, die wir im folgenden unkommentiert veröffentlichen:
MIL, Referat 35 30.01.2014
Zur Klarstellung:
In der Tagespresse wurde unlängst unter dem Titel: „Wer nicht schießt, muss zahlen“ ein Beitrag zur Wildschadensproblematik im Wald veröffentlicht.
Die daraufhin erfolgten Reaktionen geben Anlass für nachfolgende erläuternde Hinweise.
Anlässlich einer ersten gemeinsamen Sitzung von Forstausschuss und Landesjagdbeirat am 2.11.2010 wurde u. a. die Frage erörtert, ein inhaltlich abgestimmtes Verfahren zur finanziellen Bewertung von Wildschäden im Wald, analog zu einer vergleichbaren Regelung in Rheinland-Pfalz (http://www.wald-rlp.de/fileadmin/website/downloads/jagd/wildschadensbewertung.pdf), zu entwickeln.
Die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens, die u. a. darin begründet ist, in einem form- und fristgerecht angemeldeten Schadensfall Streit hinsichtlich der monetären Bewertung des eingetretenen Schadens zu vermeiden, wurde von den Teilnehmern grundsätzlich anerkannt.
Ausgehend von den getroffenen Regelungen in Rheinland-Pfalz sollte ein auf die Gegebenheiten von Brandenburg angepasstes Verfahren entwickelt und sodann beiden Beratungsgremien in Hinblick auf eine mögliche Beschlussfassung hinsichtlich einer künftigen Anwendung vorgestellt werden.
In diesem Zusammenhang bestand unter den Teilnehmern völlige Übereinstimmung, dass selbstverständlich nicht jeder Verbiss auch einen ausgleichspflichtigen Schaden darstellt.
Ein in diesem Kontext relevanter Schaden liegt insbesondere dann vor, wenn das forstbetriebliche Ziel des Waldbesitzers in Frage gestellt ist.
Parallel zu vorstehend genannter Diskussion hat der Betriebswirtschaftliche Ausschuss im Deutschen Forstwirtschaftsrat (DFWR) die in Rede stehende Problematik aufgegriffen und einen Verfahrensvorschlag zur Aufnahme und IT-gestützten monetären Bewertung von Verbiss- und Fegeschäden sowie auch Schälschäden erarbeitet.
Dieses Verfahren, unter dem Begriff Konvention zur Bewertung von Wildschäden im Wald (Wildschadenskonvention) auf der Homepage des DFWR veröffentlicht (http://www.dfwr.de/aktuelles/DFWR-Konvention-Wildschadensbewertung-2013.pdf), beschreibt die Vorgehensweise zur Aufnahme von Schäden und darauf aufbauend, deren finanzielle Bewertung.
Diese Wildschadenskonvention ist insoweit als ein Verfahrens- und Bewertungsvorschlag im für Brandenburg in Wildschadensfällen gesetzlich vorgesehenen Vorverfahren zu verstehen.
Über diesen Verfahrensvorschlag wurden der Forstausschuss und der Landesjagdbeirat in einer gemeinsamen Sitzung am 05.06.2013 informiert.
Im Rahmen dieser gemeinsamen Sitzung wurde u. a. erläutert, dass die ausgewiesenen Werte zur Bewertung von Schäden (Verbiss- und Fegeschäden sowie Schälschäden) auf bundesdeutschen Durchschnittswerten beruhen (u. a. Pflanzenkosten, Pflanzungs- und Pflegekosten, Holzerntekosten und Holzpreise).
Vor diesem Hintergrund wurde einvernehmlich entschieden, diese Werte auf ihre Anwendbarkeit in Brandenburg hin zu überprüfen und ggf. an die hiesigen Gegebenheiten anzupassen.
Diese Aufgabe wurde dem Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) übertragen.
Nach Abschluss dieser Überprüfung werden die Ergebnisse dem Forstausschuss und Landesjagdbeirat wiederum vorgestellt, erläutert und zur Diskussion gestellt werden.
Ziel der weiteren Abstimmung ist, ein allgemein akzeptiertes und für die Praxis taugliches Verfahren zur Bewertung von Wildschäden im Wald zur Verfügung zu haben.
Ein solches Verfahren könnte sodann als Grundlage für ein landesweit einheitliches Vorgehen zur Bewertung von Wildschäden im gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahren dienen.
Insoweit bilden die auf der Grundlage der Wildschadenskonvention des DFWR getroffenen Regelungen für das Land Brandenburg eine Grundlage zur Erhebung und finanziellen Bewertung von Wildschäden im Wald.
Die getroffenen Regelungen (Aufnahme- und Bewertungsmodus) bieten darüber hinaus aber sowohl dem einzelnen Jagdausübungsberechtigten als auch den Jagdrechtsinhabern eine Möglichkeit, sich am konkreten Waldobjekt (Forstkultur, Naturverjüngung, geschälte Bestände) ein Bild über die Wildschadenssituation zu verschaffen und sodann im Sinne einer gebotenen Wildschadensverhütung gemeinsam präventiv tätig zu werden. Schließlich geht Schadensverhütung vor Schadensvergütung!
Von dieser Wildschadenskonvention nicht berührt werden die bestehenden gesetzlichen Regelungen nach Bundes- und Landesjagdgesetz zum Ersatz von Wildschäden im Wald, z. B. die verbindlichen Vorgaben zur Einhaltung von Anmeldefristen.
Für den Fall, dass in dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahren keine einvernehmliche Lösung erreicht werden kann, bleibt den Beteiligten der Rechtsweg offen.
Ulrich Hardt, Referat Oberste Jagd- und Fischereibehörde