Was tun, wenn ein Wildschwein kreuzt?
Ob im Vorgarten oder beim Joggen: Immer häufiger bekommen Brandenburger Besuch von Schwarzwild. Wie man sich verhalten sollte, erklärt der Experte Matthias Schannwell - Von Diana Bade - Neulich habe ich erlebt, dass Leute Wildschweine gefüttert haben.
Potsdam. Beim Joggen, Spaziergang oder bei der Pilzsuche: Warum kommt es im Herbst häufiger zu Zusammentreffen zwischen Mensch und Wildschwein?
Matthias Schannwell, Geschäftsführer vom Landesjagdverband Brandenburg
Matthias Schannwell : Die Raps- und Maisfelder haben den Tieren in den warmen Monaten Nahrung, Ruhe und Schutz geboten – also alles, was ein Wildschwein braucht. Im Herbst, wenn die Felder abgeerntet sind, vagabundieren die Tiere gern umher und suchen sich neue Gebiete. Nach der Zeitumstellung sind Wildschweine dann für uns besonders präsent, weil sie nachtaktiv sind und es früher dunkel wird.
Warum fühlen sich Wildschweine so „sauwohl“ in Städten und Wohngebieten?
Wildschweine sind intelligent. Sie wissen, dass ihnen in Städten und Wohngebieten keine Gefahren drohen, weil sie dort nicht gejagt werden dürfen. Hinzu kommt, dass sie im Kompost, im Abfall und in gelben Säcken vor Einfamilienhäusern Futter finden. Der einzig wirksame Schutz ist, das Grundstück einzuzäunen.
Was zieht Wildschweine neben den Häusern kulinarisch an?
Die Tiere sind Allesfresser. Sie mögen Gartenabfälle, interessieren sich aber auch für ein weggeworfenes Wurstbrot. Wenn wir Lebensmittel arglos liegen lassen, dürfen wir uns nicht wundern, dass die Wildschweinpopulation stetig wächst. Neulich habe ich sogar beobachtet, dass Leute an der Berliner Clayallee Wildschweine gefüttert haben.
Ist der Mensch der einzige Grund, dass es Jahr für Jahr mehr Wildschweine gibt?
Dass der Bestand an Schwarzwild wächst, hat viele Gründe. Zum einen die klimatischen Bedingungen: Die Winter sind mild und schneearm, die Frühjahre trocken – damit kommen die Schweine gut zurecht. Und das Klima wirkt sich auch auf die Ernte aus: Der Mais stand hervorragend in diesem Jahr und durch die vielen Maisfelder verbessert sich das Futterangebot. Das Wild passt sich an die Umweltbedingungen an und vermehrt sich dementsprechend.
Es kann also häufiger zu Begegnungen mit den Tieren kommen. Wie gefährlich kann uns ein Wildschwein werden?
Greift ein ausgewachsenes Tier einen Menschen an, kann es ihn gefährlich bis tödlich verletzen. Aber im Prinzip brauchen wir vor einem Wildschwein keine Angst zu haben, denn es ist kein Raubtier wie ein Eisbär oder ein Löwe und wir Menschen sind somit keine potenzielle Beute. Ausgewachsene Keiler versuchen einer Konfrontation eher aus dem Weg zu gehen.
Wann sind Wildschweine angriffslustig?
Eine Ausnahme ist, wenn man auf verletzte Tiere oder auf eine Bache und ihre Frischlinge trifft, die ihren Nachwuchs verteidigen will. Auch kann es etwa für einen Pilzsucher gefährlich werden, wenn er auf zu leisen Sohlen unterwegs ist. Wenn Wildschweine nicht mit dem Waldbesucher rechnen, ist der Überraschungsmoment groß und das Tier kann so sehr erschrecken, dass es einen kopflos umrennt und zubeißt.
Was tue ich also, wenn plötzlich beim Joggen mitten im Wald ein Wildschwein aufkreuzt: schnell wegrennen oder wie „eingefroren“ stehen bleiben?
Nähert man sich einem Tier an, ist es zunächst nicht verkehrt, sich bemerkbar zu machen durch laute Schritte oder ein Vor-sich-her-Pfeifen. Eine Wildschweinfamilie sollte man in Ruhe ziehen lassen und einen großen Bogen um sie machen. Oder man tritt den Rückzug an – langsam und in die Richtung, aus der man gekommen ist.
Angeblich riechen wilde Schweine wie „Maggi“-Küchenwürze. Welche Anzeichen deuten darauf hin, dass ein Wildschwein in der Nähe ist?
Als Jäger kann ich nicht bestätigen, dass Wildschweine nach Maggi riechen, eher wie ein ganz normales Hausschwein. Wenn eine Rotte Sauen auf Nahrungssuche ist, kann man ein Schmatzen, Grunzen oder Quieken vernehmen.
Machen die wachsenden Bestände Brandenburg eigentlich zur Wildschweinhochburg?
Wir Jäger wissen, dass man Wild nicht zählen kann, aber ein guter Anhaltspunkt für die Population ist die Jagdstrecke. Brandenburgs Jäger haben in der Jagdsaison 2016/15 rund 76 000 Wildschweine geschossen. Man muss aber davon ausgehen, dass der tatsächliche Bestand doppelt oder dreifach so hoch ist. Brandenburg ist ein großes Bundesland und hat dementsprechend eine hohe Schwarzwildstrecke.
Was müsste sich aus Sicht der Jäger ändern?
Wir wünschen uns weniger Hemmnisse: Es gibt zum Beispiel Naturschutzgebiete oder Rekultivierungsgebiete des Tagebaus, in denen wir nicht jagen dürfen. Das sind ideale Rückzugsgebiete und das weiß das Schwarzwild auch. Wir würden uns auch wünschen, dass die 20-Euro-Prämie für einen Abschuss im Landkreis Oder-Spree flächendeckend im ganzen Land ausgelobt wird, um Jäger zu motivieren, Wildschweine zu jagen.
Zur Person: Matthias Schannwell ist Geschäftsführer beim Landesjagdverband Brandenburg. Zu dem Verband gehören 10 000 märkische Jäger. Ihr Schutzpatron ist der heilige Hubertus.