Unterschätzte Gefahren einer ausufernden Waschbärenpopulation
Immer wieder werden die Gefahren einer wachsenden Waschbärenpopulation auf bedrohte einheimische Arten bezweifelt. Die Erfahrungen aus Artenschutzprojekten bleiben dabei unberücksichtigt.
Michendorf, 11.02.2015. Sie sehen putzig aus mit ihrem kuschligen Fell und den lustigen Knopfauen und trotzdem sind sie eine nicht zu unterschätzende Gefahr für bedrohte Arten, wie zum Beispiel Großtrappen, Sumpfschildkröten sowie andere Kleintiere und Bodenbrüter. Diese leiden einerseits unter den von Menschen herbeigeführten Veränderungen in ihren natürlichen Lebensräumen. Andererseits steigt die Zahl der Beutegreifer stetig an. So konnte sich in den letzten Jahren dank der erfolgreichen Impfaktionen gegen die Tollwut der Fuchs sehr stark vermehren. Außerdem sind neue Räuber wie der Marderhund und eben der Waschbär hinzugekommen. Gefährdete Arten können so nur durch einen hohen finanziellen Aufwand vor dem Aussterben geschützt werden.
Ein Beispiel für den aufwendig betriebenen Artenschutz in Brandenburg ist das Bemühen um den Erhalt der letzten Populationen der europäischen Sumpfschildkröte, in deren Zusammenhang gezielte Landschaftsschutzmaßnahmen ergriffen und Aufzuchtprogramme durchgeführt werden. Dennoch sind Sumpfschildkröten vielen Gefahren ausgesetzt. Neben dem Straßenverkehr, dem viele Weibchen auf dem Weg zu ihren Gelegeplätzen zum Opfer fallen, bedroht der Waschbär die fragile Population. Das bestätigt auch Dr. Norbert Schneeweiß, Mitarbeiter des Landesamts für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz im Land Brandenburg. Er bezeichnet die Jagd auf den Waschbären in den letzten Vorkommensgebieten der europäischen Sumpfschildkröte als „wichtige Komponente des Schutzprogramms, ohne die unsere Schutzmaßnahmen ins Leere laufen würden.“
Ähnliches gilt für den Erhalt der Großtrappen. In den Schutzgebieten Havelländisches Luch, Belziger Landschaftswiesen und Fiener Bruch fallen auf den nicht umzäunten Flächen nach Angaben von Henrik Watzke, Geschäftsführer des Fördervereins Großtrappenschutz e.V. in Nennhausen, ca. 90 Prozent des jährlichen Nachwuchses Beutegreifern wie Fuchs und Waschbär zum Opfer. Henrik Watzke erklärt dazu: „Wenn es zukünftig nicht gelingt, die aktuelle Zahl der Gelege- und Jungtierverluste unter anderem durch Waschbären deutlich zu minimieren, wird sich auch auf Flächen, auf denen eine kostenaufwendige Landschaftspflege und Habitatoptimierung erfolgt, kein ausreichender Bruterfolg bei den Großtrappen einstellen.“
Zum Schutz der einheimischen Arten, die in das Beutespektrum des Waschbären fallen, fordert der Landesjagdverband Brandenburg als anerkannter Naturschutzverband eine Lockerung der Jagdbeschränkungen in Schutzgebieten. Häufig schließen die Schutzgebietsverordnungen die Fallenjagd in Gewässernähe aus – genau dort, wo sich Waschbären besonders gerne aufhalten. „Hier muss die gezielte Fangjagd mit Lebendfallen auch in Gewässernähe möglich sein, sonst führen wir die Bemühungen um das Überleben von Großtrappe, Sumpfschildkröte und andere gefährdete Arten ad Absurdum“, so Robert Franck, der Verantwortliche für Naturschutz im Präsidium des Landesjagdverbandes Brandenburg e. V.
Der Waschbär stammt ursprünglich aus Nordamerika. In den 30er Jahren wurden die ersten Tiere bei Kassel und Berlin ausgesetzt. Seitdem breiten sich die allesfressenden Kleinbären rasant aus. Waschbären sorgen auch bei vielen Hausbesitzern für Unmut. Sie heben Ziegel an, verwüsten Dachböden und Garagen und leeren Mülltonnen. Waschbären haben in Deutschland keine natürlichen Feinde.