Waldumbau: Schutzmaßnahmen gewinnen an Bedeutung
Dürre, Stürme und Insekten haben in den vergangenen Jahren Deutschlands Wäldern massiv zugesetzt. Nadelholzreinbestände sollen in Mischwälder umgebaut werden. Vermehrt sollen deswegen Rehe und Hirsche erlegt werden. Wissenschaftler sagen: Schutzmaßnahmen wie Wuchshüllen oder Gitter gewinnen an Bedeutung.
(Berlin, 04. August 2020) Akteure aus Politik, Forstwirtschaft und Naturschutz fordern, dass der Umbau von anfälligen Fichten- oder Kiefernreinbeständen hin zu klimastabilen Mischwäldern möglichst ohne Schutzmaßnahmen gegen Wildtiere funktionieren soll. Sebastian Hein, Waldbau-Professor der Fachhochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg, erwartet gleichzeitig, dass der Einsatz von Forstschutzmaßnahmen wie dem mechanischen Einzelschutz durch Wuchshüllen sogar zunehmen wird. Im Interview mit dem Deutschen Jagdverband (DJV) erläutert er die Gründe, die für diese Prognose sprechen.
DJV: Die Waldfläche der Größe des Saarlands ist von Dürre, Sturm und Insekten geschädigt. Auf diesen Flächen sollen jetzt klimastabile Mischwälder entstehen. Dafür müssen Bäume gepflanzt werden. Überleben diese gänzlich ohne Schutzmaßnahmen?
Professor Sebastian Hein: In der Waldbewirtschaftung werden verschiedene Schutzmechanismen angewendet. Zäune beispielsweise schützen vor Schäden durch Reh- oder Schwarzwild. Wuchshüllen fördern das Wachstum und geben der Forstpflanze aus Naturverjüngung oder Pflanzung einen Vorsprung gegenüber Konkurrenzvegetation. Zudem sind sie leichter auffindbar für Pflegemaßnahmen. Daneben gibt es viele weitere Schutzmechanismen, die man auch nur sehr überlegt einsetzen sollte. Wir erwarten jedoch, dass die Dürre der letzten Jahre zu einem steigenden Einsatz solcher Schutzmaßnahmen führen wird.
Kann es trotz angepasster Wildbestände sinnvoll sein, Schutzmaßnahmen vorzunehmen?
Grundsätzlich ist in der Waldbewirtschaftung alles darauf ausgerichtet, die natürliche Wiederbewaldung ohne zusätzliche Maßnahmen – also alleine mit den Kräften der Natur – zu erreichen. Da kann es schon vorkommen, dass dies nicht gelingt: Etwa wenn sehr seltene Baumarten wie Elsbeere oder Speierling gepflanzt werden. Oder wenn für den so wichtigen Umbau hin zu gemischten Wäldern Buchen und Eichen in Kiefernbestände oder Weißtannen in Fichtenbestände eingebracht werden. Hier muss man abwägen und Vor- und Nachteile einander gegenüberstellen.
Im März und April herrscht Jagdruhe, Rehe und Hirsche fressen trotzdem. Wie schützt man Forstpflanzen in der Schonzeit vor Verbiss- und Fegeschäden?
Die Jagdruhe ist wichtig für die Aufzucht des Nachwuchses vieler Tiere. Das ist natürlich sinnvoll. Der Blickwinkel der Waldbewirtschaftung in dieser Zeit: Haben der Aufwuchs, etwa aus Naturverjüngung, oder der neue Jahrestrieb bestehender Pflanzen eine gleichberechtigte Chance? Es kann durchaus vorkommen, dass durch Versäumnisse in den Vorjahren Pflanzen jetzt geschützt werden müssen. Hierfür ist viel auf dem Markt: von Terminaltriebklemmen und Schälschutzkratzern bis hin zu Holzgittern. Heute ist wichtig, dass Produkte wie Plastikhüllen ohne Zertifikat zum biologischen Abbau unter Waldbedingungen nach ihrem Einsatz restlos einsammelt werden. Die rechtliche Lage ist eindeutig: Wer „Aufbau“ sagt, muss auch „Rückbau“ sagen und mithelfen!
Über ein Viertel der Wälder Deutschlands sind immer noch Nadelholzreinbestände. Diese sind besonders anfällig – Waldumbau durch „Vorbau“ ist gefordert. Welche Maßnahmen sind notwendig, um frisch gepflanzte Bäume zu schützen?
Die Waldbewirtschaftung hat hier seit ungefähr 40 Jahren ein Großprojekt und eine gesellschaftlich sehr wichtige Aufgabe in Angriff genommen. Ja, und im Klimawandel wird diese Aufgabe des Waldumbaus nochmals viel drängender. Die Waldbesitzer sind da ja sehr erfinderisch – von Vergrämung mit Schafwolle oder Schutz durch Drahthosen, Tonkinstäbe in Einmal- oder Mehrfachverwendung ist alles dabei. Die Maßnahmen sind jedoch leider sehr zeit- und kostenaufwändig. Damit das gelingt, empfiehlt sich die Abstimmung zwischen allen direkt Beteiligten, also Forst, Jagd, Naturschutz, Eigentümer und Öffentlichkeit. Dabei muss gelten: Es wird vor Ort im Wald diskutiert und abgewogen – nicht am „grünen Tisch“. Vor allem: gemeinsam – sonst klappt das Großprojekt Waldumbau nicht.
Quelle: DJV